Julia Bolender
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Ich denke, das ich es schon als Kind war und nicht wusste. Das ich eher ruhiger war als die anderen wurde als Schüchternheit gesehen. Und empfindsamer. Als Pädagogin bietet dies nochmal weitere Herausforderungen und auch im Alltag. Hier schreibe ich dir wie ich aktuell damit umgehe.
Eine Zeitlang galt es als Modeerscheinung hochsensibel zu sein. Eine Lehrerin erzählte mir vor Jahren, dass laut den Eltern, jedes 2. Kind hochsensibel war. Und wie das so ist mit so „Diagnosen“, die die es wirklich haben, werden irgendwann nicht mehr für voll genommen, dass sie es haben. Ich möchte mich weiß Gott nicht dahinter verstecken. Es ist keine Ausrede, oder sonstiges. Ich nehme einfach meine Umwelt anders war und kenne Menschen, denen es genauso ergeht. Es sind denke ich schon mit den Jahren mehr geworden, was wohl auch damit zu tun hat, dass unsere Welt an sich lauter, hektischer, voller und stressiger geworden ist. Schneller, höher weiter. In der Woche wird dafür gelebt „Sachen abzuarbeiten“. Formulare müssen eingereicht werden, der Haushalt geschmissen, die Kinder umsorgt, auch der Sport und das Sehen von Freunden darf nicht unter den Tisch fallen. Und irgendwo dazwischen etwas Me-Time.
Als Mensch der hochsensibel ist nehme ich besonders Stimmen die schneller reden, oder in ihrer Tonlage variieren als sehr unangenehm wahr. Der Job als Erzieherin im Kindergarten, der ja auch mit viel Lautstärke verbunden ist, bedeutete mich öfter mal einen großen Kraftakt. Was aber nicht zwingend mit den Kindern zu tun hatte. Meine Toleranz war wohl schon immer nicht so hoch wie bei anderen. Dafür kann aber mein Umfeld nicht direkt etwas. Ich habe gelernt beruflich wie privat eher zu erkennen, wann es mir selbst zu viel wird. Meine eigenen Grenzen sind mir nun mehr bewusst. Auch die Ausstrahlung eines Menschen, z.B. wenn dieser gestresst ist, oder nicht wirklich offen für mich nehme ich wahr. Meine Lösung, nicht zu sehr an mich ran zu lassen, privat nur mit Menschen umgeben, die eine „gute Ausstrahlung“ haben.
Zurzeit habe ich eine Art Auszeit. Sie tut mir gut, ich kann selbst wählen, wann ich unter Menschen gehe und wie oft. Doch dabei spüre ich auch, dass ein zu langes „fernhalten“ vom sozialen Leben mir nicht bekommt. Denn wenn ich dies zu lange meide, kann schon, dass stehen in der Schlange an der Supermarktkasse und die Stimmen der anderen Menschen noch unangenehmer erscheinen. Das Warten erscheint mir dann wie eine Ewigkeit. Ich bekomme Herzklopfen, spüre innere Unruhe und das Gefühl am liebsten einfach alles stehen und liegen zu lassen und einfach aus dem Laden zu gehen. Doch das tue ich nicht. Ich halte aus, denn ich weiß, der Moment vergeht. Ich finde da meinen eigenen Weg. Denn ich weiß, die Auszeit ist zeitlich begrenzt. Doch wenn ich bald wieder ins Berufsleben einsteige, in die Selbstständigkeit kann ich das nicht von 0 auf 100. Also rechtzeitig in Teilschritten wieder daran gewöhnen.
Hochsensibel sein ist keine Krankheit, man hat nur feinere Antennen, wie meine Mutter mal zu sagen pflegte. Ich habe über die Jahre gelernt meine eigene Toleranz dabei zu steigern. Es gibt Tage, oder Wochenenden, wo es mir nicht so gut gelingt, aber das ist okay. Man darf sich auch mal Auszeiten von anderen gönnen. Die eigenen Akkus aufladen. Diese andere Wahrnehmung, so würde ich es mal nennen, ist keine Krankheit. Ich bin dafür ein sehr emphatischer Mensch und nehme eher auch wahr, wie mein Gegenüber sich gerade fühlt, kann zwischen den Zeilen hören und lesen. Ich nehme mir, wenn ich für mich bin dann auch gerne die Zeit meine Gedanken nachwirken zu lassen. Dann bleibt der Fernseher oder die Musik mal aus. Denn nur so kann ich mich selbst besser verstehen. Und bin immer wieder neu auch offen für meine Mitmenschen.
Bist du auch hochsensibel? Wie gehst du damit um?